1. FC Kleve: Verspielt!

Der Klever Fussballclub hat rund 2,5 Millionen Euro Schulden angehäuft. Artur Leenders von den Grünen fordert ein Alternativkonzept: Nach einer Insolvenz muss die Stadt das Stadion übernehmen.

NRW-Ligist 1. FC Kleve steht vor der Insolvenz

Fußball-NRW-Ligist 1. FC Kleve ist akut von der Insolvenz bedroht. Der Verein soll 570.000 Euro Steuern nachzahlen. Insgesamt gebe es ein Finanz-Loch von 1,2 Millionen Euro. Ob und wie lange der Spielbetrieb weiter geht, ist ungewiss.
Das Fatale: Dieses Minus wird verdoppelt. Grund: Der Verein muss für 2005 bis 2008 Steuern in Höhe von 570 000 Euro nachzahlen, so das Ergebnis der Ermittlungen der Steuerfahnder. Nicht nur das: Nach NRZ-Informationen stehen Forderungen von Sozialversicherungsträgern wie Krankenkassen und Berufsgenossenschaft für Spieler- und Angestelltengehälter ebenso an wie Säumniszuschläge beim Finanzamt. Unter dem Strich sollen das mindestens 1,3 Millionen Euro sein.
Der Spielbetrieb ist vorerst nicht gefährdet. Wenn Insolvenz angemeldet würde, ändert sich nichts. Erst wenn das Verfahren eröffnet wird, stünde der FC als erster Absteiger der NRW-Liga fest, dürfte aber sogar weiterspielen.
Die Verantwortlichen wollen mit Dr. Jörg Alvermann – Kölner Fachanwalt für Steuerrecht – den Sachverhalt klären. Auf Steuernachforderungen sollen sich die Blau-Roten eingestellt haben. „Wir suchen jetzt nach einer Lösung“, ließ der Vorsitzende Uwe Dönisch-Seidel per Pressemitteilung verlauten.
Durch Dritte seien finanzielle Rücklagen geschaffen worden, ist dazu aus Vereinsreihen zu hören. „Wir müssen jetzt klären, ob wir diese Summen irgendwie aufbringen können. Um überhaupt noch das Erbbaurecht zu bekommen, müssen wir dieses Problem separat lösen“, so Pressesprecher Frank Wöbbeking.

Forderungen von der Stadt

Die Stadt wird aufgrund der aktuellen Finanzmisere aber kein Erbbaurecht über ihr eigenes Grundstück am Bresserberg verhängen. Sie wird ferner die Rückzahlung der Zuschussrate von 650 000 Euro für den Stadionausbau fordern.
Diesem Vorschlag der Stadtspitze haben sich gestern alle Fraktionsvorsitzenden angeschlossen. Grund sind wirtschaftlichen Zahlen, die der Klub der Stadt zum 15. September dieses Jahres vorgelegt hat. Die Vereinsspitze wurde gestern darüber informiert.

Leenders: Stadt muss Stadion übernehmen

Ein finanzieller Rettungsanker ist damit von den Fraktionen nicht mehr zu erwarten. Für Dr. Artur Leenders (Grüne) ist eine Insolvenz ein gangbarer Weg. Seine Fraktion hat eine Alternative erarbeitet. Danach sollte die Stadt das Stadion übernehmen, eine Trägergesellschaft gründen und ein Nutzungskonzept erarbeiten: „Dann können wir das Stadion zu Ende bauen.“ Danach könnte es an die Vereine und an die Hochschule – auf deren Gelände kein Sportplatz eingeplant ist – vermietet werden. Miete zahlen müssten dann alle – auch der FCK..
Mit Blick auf eine mögliche Insolvenzverschleppung hält Daniel Rütter (FDP) ein weiteres finanzielles Engagement der Stadt für äußerst fraglich.

„Politisch kaum vertretbar“

Rechtlich seien Erbbaurecht und andere städtische „Zuwendungen“ derzeit mit Sicherheit angreifbar, politisch kaum vertretbar, kommentiert Alexander Frantz (SPD). Wenn alle Informationen richtig seien, hänge der 1. FC am Tropf. Und das könne für den Verein und einzelne Finanzgeber riskant und gefährlich werden: „Dann lieber eine Insolvenz“.
Der Verein habe genügend Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, „die ihm hoffentlich die richtigen Ratschläge geben“, betont Udo Janssen (CDU): „Ich hoffe, dass sie das in aller Ruhe prüfen und dann eine kluge Entscheidung für sich und den Verein treffen.“
Frank Ruffing, Vorstandsvorsitzender der Volkbanks Kleverland, bleibt gelassen – sowohl in punkto Image als auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen für seine Bank als Sponsor und Kreditgeber: „Das ist kein Weltuntergang“.
Ob die Staatsanwaltschaft bereits involviert ist, wollte Oberstaatsanwalt Guido Schulz unter Berufung auf das Steuergeheimnis weder bestätigen noch dementieren. Grundsätzlich stelle sich bei Steuernachforderungen jeder Art die Frage der strafrechtlichen Relevanz. Sobald die Staatsanwaltschaft informiert sei, werde sie die Ermittlungen aufnehmen.
Gaby Boch und Björn Mende, Piet Keusen, NRZ Kleve, 21.10.2010,Foto: NRZ

Kommentar

Rote Karte für 1. FC Kleve 

Es war ein Risikospiel. Eingebunden in die Hoffnung, dass es irgendwie schon klappen wird, und weder Stadt noch Sponsoren „ihren“ 1. FC Kleve hängen lassen. Der Verein hat zu hoch gepokert. Die Stadt zeigt die Rote Karte. Wer vor Liquiditätsproblemen in einer Größenordnung von mindestens 2,5 Millionen Euro steht, kann nicht erwarten, dass andere in die Bresche springen. Verwaltung und Politik der Stadt Kleve wollen keinen Rettungsanker mehr werfen. Da es sich um Steuergelder handelt, wäre das rechtlich ein Risiko und politisch unverantwortlich. Konsequenterweise fordert die Stadt ihren Zuschuss von 650 000 Euro zurück.
Wobei das angesichts des Schuldenbergs wohl nur Makulatur sein dürfte, da der 1. FC das wohl kaum bezahlen kann.

Geklärt werden muss ferner, wer und in welchem Umfang für Steuer- und Sozialversicherungsrückstände verantwortlich ist.

Charme hat die Idee der Grünen

Charme hat die Idee der Grünen: Die Stadt übernimmt das Stadion, vollendet den Um- und Ausbau und vermietet es an Vereine und die Hochschule.

Dem Verein kann nur dringend zur geordneten Insolvenz geraten werden. Selbst wenn danach offen ist, ob und in welcher Liga weiter gespielt werden kann. Denn das entscheidet dann derInsolvenzverwalter …
Gaby Boch, NRZ 22.10.2010

Foto von Artur Leenders: T. Velten